Tláloc bitte sei gnädig! – CDMX Lexikon: Metro fahren

Gestern Abend ist mir die Tinte ausgegangen, ich verzeihe die Verspätung. Genauer gesagt habe ich die Tinte nicht gefunden, denn als ich gegen 21:00 Uhr nach Hause kam, begrüßte mich ein stockdunkler Hausflur – Stromausfall. Schon gegen Mittag hatte man bemerkt, dass sich über den Köpfen der Metropoliten etwas Gewaltiges zusammenbraute, und gegen Nachmittag wurde CDMX von einem sintflutartigen Regen heimgesucht, auf den kurze Zeit später apokalyptische Donnergeräusche einstimmten. Eigentlich ist das sehr erfreulich, nicht nur für die vielen durstigen Bäume, sondern auch unsere Lungen, da der Regen die verschmutzte Luft gereinigt hat. So saßen wir abends bei Kerzenschein und Salat und haben politische Diskussionen geführt.

Heute ist es deutlich kühler, von den knapp 30 Grad der letzten Wochen keine Spur, und geregnet hat es auch schon wieder. Ist dies etwa bereits der Beginn der Regenzeit, die mir alle Mexikaner prophezeien? Oder nur ein kleiner Vorbote, ein erster Gruß von Tláloc[1]?

Ich werde jedenfalls zur Vorsicht gleich mal yogieren und zur Besänftigung der Götter ein paar Sonnengrüße machen.

Leider wurde mir heute gesagt, dass ich vorerst nicht weiter als Karma Yogi im Bikram Yogastudio San Angel arbeiten darf, es gäbe wohl ein Problem mit meiner Arbeitserlaubnis (Yoga im Gegenzug für Mithilfe im Studio – ich bitte euch!?). Außerdem könnte ich für die beiden Male, die ich pro Woche dort zwei Stunden aushelfe, nur jeweils die Klasse im Anschluss mitmachen und nicht, wie in Berlin, so oft zum Yoga gehen wie ich möchte (dort sind es übrigens nur zwei Stunden pro Woche, die man mitarbeitet). Wegen dieser unnötigen Verkomplizierung und des im Vergleich mit Berlin ziemlich schlechten Deals war ich heute schon etwas geknickt, aber ich werde mir einfach ein anderes schönes Studio suchen.

Die positiven Yoganeuigkeiten sind, dass ich jetzt schon die dritte Woche ein bisschen unterrichte, immer mittwochs auf unserer Dachterrasse, bei schöner indirekter Beleuchtung und entspannten Beats.

[1] Regengott der Atzeken

 

CDMX Lexikon: Metro fahren

Metro

Um die Metro zu benutzen, braucht man eine Karte, auf die man Guthaben auflädt, ebenso wie bei der Oyster in London, obwohl die Karte hier keinen so schnuckeligen Namen hat. Dafür kann man den Preis von 5 pesos (25 Cent) pro Fahrt durchaus als schnuckelig bezeichnen. Oh ja, liebe Briten, bitte gebt euch mal, 19 pence für eine Fahrt!

Die Stationen tragen teils äußerst poetische Namen: Isabel die Katholische, Todesschluchten, Vier Wege oder Revolution; Viele sind aber auch – wie einige Straßennamen – den indigenen Sprachen entnommen: Juanacatlan, Chapultepec, Cuitlahuac, … . Sich diese Zungenbrecher zu merken, fällt mir teilweise nach wie vor schwer, auch wenn jede Station ein Symbol hat (Moment, Martin: Symbol, Ikon oder Zeichen? Du weißt das besser!). Ich habe mich kindlich naiv darüber gefreut, dass die Mexikaner bei der Errichtung ihrer Metro ihrer Kreativität freien Lauf gelassen haben, bis ich darüber aufgeklärt wurde, dass die Symbole für die Analphabeten gedacht sind. Die fahren dann zum Beispiel vom Kojoten bis zur Glocke und müssen bei der Kanone umsteigen. Die mir am nächstgelegene Station der güldenen Linie 12 heißt übrigens parque de los venados und wird durch zwei Hirsche symbolisiert. Hier zur besseren Vorstellung alle Symbole der Linie 12:

Línea-12-del-Metro

Die Züge an sich sind ähnlich wie in Berlin manchmal topmodern mit Bildschirmen und 1A Klimaanlagen und manchmal furchtbar ranzig. Auch die Fahrgäste sind denen in Berlin nicht unähnlich, wenn sie durch Verhaltensweisen wie gekonnt gelangweiltem in-die-Ferne-Schauen, Candycrush-Spielen, Schminken, lauten Business-Telefonaten oder Lesen-in-Schräglage-da-so-viele-Mitfahrer-dass-kaum-Platz-für-Buch glänzen. Spannend sind auch die vielen informellen Händler, die in die Waggons kommen und alles, ich meine wirklich ALLES, an den Mann bringen wollen: Kaugummis, Nadeln, Pflaster, Verbandszeug, Klebeband, Süßkram, Eis, Löffelchen, Spiegel, …

Was ich außerordentlich beachtlich finde, ist die Tatsache, dass in Stoßzeiten die ersten zwei bis drei Abteile ausschließlich Frauen und Kindern zugänglich sind, was an jeder Station auch von Wachmännern kontrolliert wird. Ein wunderbarer Schutz vor aufdringlichen Blicken und sexuellen Übergriffen, denn anscheinend wird in der vollen Metro – wie ich gewarnt wurde – durchaus mal gegrabscht. Auch im Metrobus, dem überirdischen Pendant, gibt es einen Einstieg, der für Frauen reserviert ist. Letztens hatte sich ein äußerst unappetitliches Exemplar Mann dort eingeschleust und wurde von einer schieren Übermacht an weiblichen Stimmen zum Aussteigen animiert. An der nächsten Station mischte sich dann sogar ein Polizist ein, wodurch sich die Weiterfahrt des Busses erst einmal verzögerte, denn Herr Unterhemd wollte partout nicht aussteigen. Mir hat die Situation viel positive Energie gegeben, da plötzlich aus vielen fremden Frauen eine pulsierende, schützende Einheit wurde. Jede, die in der Nähe von Herrn Ekel stand, wurde von den ihr umgebenden Damen in sichere Distanz gebracht. Unter diesem shitstorm hätte sich niemand, dem etwas an seinem besten Stück liegt, getraut, auch nur eine falsche Bewegung zu machen. Nun ja, und wenn doch, dann dürfte er wohl, nachdem die Mexikanerinnen mit ihm fertig wären, legitim im Frauenabteil mitfahren 😉

 

Ein Gedanke zu “Tláloc bitte sei gnädig! – CDMX Lexikon: Metro fahren

  1. *klugscheißmodus an* Kommt ganz darauf an. Bei deiner Station kann man von einem Ikon (nach Pierce) sprechen. Allgemein reicht Symbol aber vollkommen aus. *klugscheißmodus aus*

    Verfickter Machismus!

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