Kopfständchen

Kopfständchen

Es ist soweit, ich habe mich von meiner ersten (und hoffentlich einzigen) Lebensmittelvergiftung erholt. Das war der nicht so angenehme Teil der Woche, weswegen ich auch hauptsächlich flach lag und nicht viel Spannendes zu berichten habe. Dafür habe ich endlich meine Hausarbeit abgegeben! Und: Morgen fliege ich nach Cancún, wo ich am Mittwoch Miriam treffe! Wir sind dann erstmal gemeinsam auf Reisen, weswegen in den folgenden zwei bis drei Wochen hier erstmal kein Blogeintrag zu finden sein wird, aber DANACH wird genauestens berichtet, wo wir uns rumgetrieben und was wir Schönes erlebt haben.

Zufälligerweise wohne ich mit einem Fotografen zusammen, schaut gern mal auf seine Website: http://www.owenbehan.com/ – das heißt ich kann wieder ein paar schöne Fotos vorweisen. Immerhin, denn jetzt muss ich noch packen, aufräumen, eine to do Liste abarbeiten und ein paar Sachen fürs Praktikum erledigen, bevor es morgen los auf große Reise geht – also heute leider kein spektakulärer Eintrag…seid gedrückt

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Ein paar Gedanken zur Gleichbehandlung

Ein paar Gedanken zur Gleichbehandlung

Fünf Uhr nachmittags, die Metro ist brechend voll. Ich stehe dicht gedrängt zwischen müden, schlappen Mexikanern, die nach einem anstrengenden Tag einfach nur ihre täglichen tacos essen und nach Hause möchten. Ein Herr Mitte Fünfzig stupst mich an und macht mich auf einen gerade frei gewordenen Sitzplatz aufmerksam. Ja, mich. Inzwischen winke ich legere ab, aber als mir das die ersten Male passiert ist, überkamen mich verschiedene Gefühle – Befremdlichkeit, Verdutzen, etwas Verärgerung sogar. Warum bietet MIR ein Herr, der mindestens doppelt so alt ist wie ich, einen Sitzplatz an? Ich sehe weder gebrechlich noch kränklich noch schwanger aus – im Gegenteil, wahrscheinlich bin ich gerade unterwegs zum Yoga oder Capoeira oder zum Ausgehen. Man stelle sich vor, das würde einem in Berlin passieren…

Es gibt hier eine sehr seltsame, nun ja, nennen wir es „Gentleman-Politik“, die mir gar nicht gefallen möchte. Darunter fallen neben dem Anbieten eines Sitzplatzes für eine noch so junge und fit aussehende Frau viele weitere Gesten: Beim Aus- bzw. Absteigen aus dem Bus (oder Boot) oder sonstigen Stufen wartet ein Mann mit ausgestrecktem Arm, um den Damen herunterzuhelfen. Allein diese Geste macht mich meistens schon so wütend, dass ich den ausgestreckten Arm am Liebsten wegschlagen würde, aber natürlich benehme ich mich und ignoriere ihn einfach mit erhobener Nase. Ein anderes, besonders schönes Beispiel der „Gentleman-Politik“ inkludiert das Öffnen der Autotür (auch allen anderen Türen, aber beim Auto ist es besonders markant): Frau wartet auf dem Beifahrersitz, bis Mann den Motor ausgeschalten hat, ausgestiegen und um das Auto herumgelaufen ist, um ihr die Tür zu öffnen. Ich höre schon die Stimmen der Romantiker, die jetzt säuseln „ooooh wie toll“ – aber meiner Meinung nach ist es das einfach nicht. Ich möchte keine bevorzugte Behandlung, und erst recht möchte ich nicht, dass ein Mann versucht, mir irgendwo herunter- oder heraufzuhelfen oder mir einen Sitzplatz anzubieten. Das wäre nur dann in Ordnung, wenn diese eben genannten Gesten geschlechterunabhängig passieren – warum kann ich nicht einem Freund die Autotür aufhalten, ohne schräg angeschaut zu werden? Oder ohne dass er schräg angeschaut wird?

Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich mit einem Freund im Restaurant die Rechnung bestelle und der Kellner sie automatisch zu ihm legt – all diese kleinen Gesten zeugen von mich von einer gewissen Rückständigkeit, was Gleichbehandlung betrifft. Und ja, da gehören immer zwei dazu – ich sehe viele mexikanische Frauen, die sich genau auf diese Weise behandeln lassen möchten. Aber solange all diese Gesten und das Bezahlen im Restaurant nicht auf Gegenseitigkeit beruht, stigmatisiert dieses Verhalten meiner Meinung nach die Frau zu einem Wesen, das von einem Mann beschützt werden will. Ich will nicht sagen, dass man aus Höflichkeit oder Zuvorkommenheit keinen Sitzplatz mehr anbieten darf, ich möchte nur betonen, dass dies geschlechterunabhängig passieren sollte. Statt mich, Anfang zwanzig und ohne körperliche Beeinträchtigungen, sollte der Herr Mitte Fünfzig in der Bahn viel lieber den Herrn Mitte Siebzig antippen, der mir genau gegenüber steht und zudem eine schwere Tasche trägt.

Frauen, die im Club keinen Eintritt zahlen? Hier die Normalität, in Berlin unmöglich – und selbst wenn es dort mal eine solche seltsame Veranstaltung geben würde, würden wir uns den Eintritt als Gruppe aufteilen, sodass alle gleich viel zahlen. Ich genieße es wirklich sehr, in Berlin auf ein Date gehen zu können und an der Bar zwei Bier zu zahlen, ohne dass es irgendeine Art von Aufmerksamkeit erzeugt. „Ich zahl die nächste Runde,“, sagt mein Date. Läuft.

Unter Freunden geht das hier auch problemlos – ob das jetzt an meinem Freundeskreis liegt oder an der Generation Anfang/Mitte zwanzig…aber tendenziell fühle ich mich hier ungleich behandelt, auch wenn das eben oftmals vordergründig „zu meinem Vorteil“ geschieht.

Ich hoffe, niemanden mit diesem Beitrag wütend zu machen – ich weiß, dass Gleichberechtigung ein riesiges Thema ist, dass ich nicht einmal im Ansatz angesprochen habe und das sich nicht an Autotüren und Clubeintrittspreisen messen lässt. Es war sozusagen nur ein Teaser für einen weiteren, bald folgenden Beitrag, in dem ich genauer auf die Situation der Gleichberechtigung eingehen möchte.

Etwas ab vom Thema: Ich habe mir erlaubt, ein zwei schöne alte Bilder von Simon in diesen Beitrag einfließen zu lassen, weil ich vergangene Woche gar keine Bilder gemacht habe…das Beitragsbild ist übrigens noch aus San Miguel de Allende…

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San Miguel de Allende

San Miguel de Allende

Verehrter Leser, dieser Eintrag enthält nicht nur zauberhafte Bilder von Simons Kamera, der werte Herr hat sie auch noch bearbeitet, weswegen ich heute also einen ganz besonderen Augenschmaus präsentieren darf.

Wir haben am Freitag beschlossen, nach San Miguel de Allende zu fahren, weil uns von vielen Seiten empfohlen wurde, dass es dort so schön sein soll. Um 9:00 Uhr morgens ging es also los im Bus, der voraussichtlich dreieinhalb Stunden brauchen sollte. Während Simon mit seiner bemerkenswerten stoischen Gelassenheit im Sitz ruhte, wurde ich von Minute zu Minute unruhiger. Mir fiel auf, dass der Bus an jedem Tacostand Halt machte und gemächlich darauf wartete, dass jemand zustieg. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Busfahrer war ich dann informiert, dass die Fahrt wohl eher fünfeinhalb Stunden dauern würde, na großartig.

Umso mehr sind wir dann bei unserer Ankunft um kurz vor zwei durchgestartet und haben Hardcore Stadtbesichtigung und Kultur gemacht. Zum Glück ist das Städtchen in ein paar Stunden stressfrei zu schaffen, und so ging es mit Eis und michelada (einem enorm leckeren Getränk aus Bier, Limettensaft und Salz) durch das hübsche Örtchen, das für seine vielen Design- und Kunstläden bekannt ist.

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Awww. Freundschaft! ❤ 
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Sombrero vielleicht?
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Ja, uns hat der Esel auch ein bisschen Leid getan. Aber es war einfach zu herrlich…diese Brille…

Des Weiteren überrascht San Miguel de Allende durch eine beachtliche Anzahl an gringos[1], die sich dort angesiedelt haben. Dies ist wohl mitunter einer der Gründe, weswegen man sich dort eher mit einer gehobenen Preisklasse anfreunden muss, was Essen, Unterkunft und zu erwerbende Kunst- und Designobjekte betrifft.

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Soo gelungene Bilder…
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…in den nächsten Wochen gerne nachträglich noch ein paar mehr

Um 19:00 Uhr ging der Bus zurück, ja ganz richtig, erneute fünf Stunden Fahrt. Wer jetzt mitgerechnet hat, darf sich zu Recht an Kopf fassen – für circa fünf Stunden Aufenthalt sind wir am Freitag zehn Stunden Bus gefahren. Aber ich finde, es hat sich sehr gelohnt!

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Wir haben uns unsere eigene Fusion gemacht, suckers!
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Eine Stadt voller Künstler und Designer
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Bunte Hauswände…
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…und geflieste Eingänge
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Pancho y la Reina

Am Samstag haben wir uns zu dritt in dem hippen Viertel condesa in einer Bar das Spiel angeschaut und waren mindestens so nervlich am Ende wie alle auf der Berliner Fanmeile…und auch am Sonntag haben wir zusammen mit einer französischen Freundin das Frankreich Island Spiel geguckt (obwohl ich ja für Island war :P) – um hier mal kurz die Frage zu beantworten, ob ich die EM trotzdem verfolge – looogo!

Ein weiteres kleines Wochenhighlight war der Samstagabend, an dem ich etwas unkoordiniert Freunde zum Essen eingeladen und im Endeffekt für 11 (!) Leute Kässpätzle und Apfelstrudel zubereitet hab – glücklicherweise wurde es ein voller Erfolg, bis auf die herrlichen Versuche der Mexikaner, zweier Jungs aus den Vereinigten Staaten und einem Irländer, das Wort „Kässpätzle“ auszusprechen. Aber gschmeckt hat’s allen sehr.

 

[1] So werden die Amerikaner hier genannt

 

 

FOTOS: ©Simon Heinken