Samstagnacht hatte ich ein äußerst seltsames Erlebnis. Ich war auf einer Hausparty eingeladen, die auf der Dachterrasse der WG stattfand, in der auch Simon wohnt, der Fotograf der (schönen! Alle anderen sind von meinem Handy) Bilder, die gerade den Blog zieren. Er hat übrigens auch einen Blog, schaut mal rein: https://surfthisearth.wordpress.com/. Jedenfalls lief die Party darauf hinaus, das alle mexikanischen Gäste saßen und wir drei Deutschen (Simon, ein baldiger Mitbewohner von ihm und ich) äußerst ausgelassen getanzt haben. Also wir sind bis fünf Uhr morgens voll abgespackt soll das heißen. Beobachtet von den tanzunwilligen Mexikanern, die uns wohl nun für alle Zeiten als völlig loco abgestempelt haben. Ob es nur ein seltsamer Zufall war oder ob es sich hier doch um ein relativ tanzfaules Völkchen handelt, werde ich in den kommenden Wochen weiter recherchieren. Jedenfalls habe ich nun ausgiebig Mezcal probiert und kann bestätigen, dass es stimmt, das er keinen Kater macht (solange er von guter Qualität ist).

Am Sonntag hat es uns (Katha, Abri, zwei Freunde von ihm und meine übernächtige Wenigkeit) nach Valle de Bravo verschlagen, einem niedlichen Ort in der Nähe von Mexiko Stadt, der einen traumhaft schönen See zu bieten hat. Auf Diesem haben wir dann bei idealem Sommerwetter eine ausgiebige Runde im Motorboot gedreht, hinten die Jungs mit Bier und vorne wir zwei Mädls mit Sonnenbrille und frischer Kokosnuss, das Ganze bei lauten Reggaeton- und Technobeats, zu denen teilweise dann trotz heftigem Schaukeln getanzt wurde. Wie ich mich da so zu dieser Musik auf dem übers Wasser fliegende Boot räkelte, kam ich mir vor wie aus einem der Videoclips der Reggaeton-Szene entschlüpft. Nur ohne den obligatorischen in die Kamera rappenden Mann, der im Gegensatz zum Rest der (weiblichen) Besatzung stets voll angezogen ist, während neben ihm Astralkörper im Bikini den Clip dekorieren. Willkommen im 21. Jahrhundert. Naja ich darf mich nicht über den Sexismus dieser Szene beschweren, ich tanze oft genug und gerne zu diesen Beats der männlich geprägten Musikszene, deren Liedtexte aus emanzipierter Sicht meist zum Kopfschütteln sind. Aber hey, das ist einfach sehr tanzbare Musik, die Stimmung macht!

Heute war mein erster Arbeitstag, aber am Freitag Abend habe ich mir schon ein Stück angesehen, das aktuell bei uns läuft, da ich mir alles anschauen darf und soll. Es war Impro-Theater und das Trüppchen hat das meiner Meinung nach richtig gut gemacht. Das Theater ist in einem verwunschenen Innenhof, in dem neben schönen Büchern und allerlei Accessoires auch Designobjekte zu erwerben sind. Wer nichts kaufen möchte, setzt sich in das niedliche Cafe oder das Restaurant und genießt das bepflanzte Ambiente.

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Exkurs: sobrepeso y obesidad

Übergewicht und Fettleibigkeit sind das „schwerwiegendste“ Gesundheitsproblem Mexikos. Im weltweiten Vergleich liegt Mexiko an erster Stelle, was übergewichtige Kinder betrifft und an zweiter Stelle – nach den USA – bezogen auf Fettleibigkeit im Erwachsenenalter. Laut der Initiative no a la obesidad sind 72% der Frauen und 66% der Männer ab 20 Jahren betroffen, insgesamt etwa 40 Millionen Personen; Sowie 26% aller Kinder im Schulalter – weitere fünfeinhalb Millionen Menschen.

Ich schreibe diesen Exkurs, weil mir in meiner ersten Woche sehr aufgefallen ist, wie sehr dieser Umstand das Stadtbild prägt. Einige Mexikaner haben mir inzwischen Ursachen erklärt, die diesen großen Anteil übergewichtiger Personen erklärt – falsche Ernährung, zu wenig Sport, ungesunder Lebenswandel, … die üblichen Verdächtigen. Allerdings spielen noch weitere Faktoren eine Rolle. Mit Abri hatte ich ein sehr tiefsinniges Gespräch, in dem er mir erklärt hat, dass für viele Mexikaner la comida eine der wenigen Freuden im Leben ist, da man sehr günstig sehr viel essen kann. Auf der Straße kosten viele Speisen um die 50 Cent, in der comida corrida[1] lässt sich für etwa 2,50€ ein drei- bis viergängiges Menü erstehen und Softdrinks sind oftmals billiger als Wasser. Man kann sich Essen leisten, und für viele ist es das einzige „Hobby“, was man unbedingt in Betracht ziehen sollte, wenn man über Fettleibigkeit in Mexiko spricht.

[1] Das sind kleine Restaurants, die manchmal nur drei Tischchen haben und sich in der Garage eines Hauses befinden, aber in der Regel etwas professioneller in einer Lokalität auszumachen sind. Dort bekommt man eine Suppe, einen zweiten und dritten Gang und manchmal sogar eine Nachspeise à la: „Heute haben wir…“. Ich finde das Konzept richtig gut, man muss keine Speisekarte durchkämmen, sondern bekommt das, was es eben heute gibt und kann sich meist zwischen ein paar Optionen entscheiden.

Ein Gedanke zu “Valle de Bravo – Exkurs: sobrepeso y obesidad

  1. Klingt äußerst traumhaft! Sowohl dein abspackender Astralkörper als auch deine süße Arbeitsstelle.
    Ich liebe deine Formulierungskunst. ¡miles y miles besos!

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